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Warum deutsche Hersteller von der Krise profitieren werden

Wegbrechende Verkaufszahlen, Kurseinbrüche, Jobabbau: Die Autohersteller bereiten sich auf pleite gehen könnte, sehen Experten für die deutschen Hersteller mehr Chancen als harte Zeiten vor. Doch obwohl ein Ende der Krise nicht absehbar ist und mancher Hersteller sogar Risiken.

Berlin - Ein Blick in die Bilanz offenbart das Dilemma, in dem Daimler steckt. Lediglich rund 20 Milliarden Euro ist der Stuttgarter Autobauer nach aktuellem Börsenkurs noch wert. Würde man jedoch den Grundbesitz, die Maschinen und Werkzeuge, die Blaupausen der Entwicklungsabteilungen und Patente, also alles was Daimler besitzt, in einer großen Auktion versteigern, dann ließen sich locker 40 Milliarden Euro erlösen. Diesen Wert haben zumindest die Rechnungsleger in der Bilanz niedergeschrieben.

 E-Klasse-Produktion: Endgültig von der realen Welt abgekoppeltBMW ergeht es nicht viel anders. Die Münchener gelten in Anlegerkreisen inzwischen fast als riskantes Investment. Lediglich 12,4 Milliarden Euro würde es derzeit kosten, den gesamten Aktienbestand zu kaufen. Volkswagen dagegen schneidet über die Maßen gut ab. Der Börsenwert der Wolfsburger steht derzeit bei insgesamt 65 Milliarden Euro. 

Verkehrte Welt - die Börsen, so scheint es, haben sich endgültig von der Realität abgekoppelt. Materielle Werte zählen nicht. Hochkarätige Technik? Erstklassige Automobile? Großartiges Image? Alles zweitrangig angesichts der nicht enden wollenden Hiobsbotschaften aus der Branche. Ein Autobauer nach dem anderen hatte in den vergangenen Tagen Warnmeldungen herausgeben. Daimler-Chef Dieter Zetsche etwa kassierte am Donnerstag sein Versprechen, 7,7 Milliarden Euro vor Steuern abzuliefern. 

BMW korrigiert Prognosen  Auch BMW-Chef Norbert Reithofer musste seine Prognosen korrigieren. 25.000 Autos weniger als geplant, werden wohl verkauft werden. Schon rebellieren die Händler, die sich kaum in der Lage sehen, die ambitionierten Vorgaben aus München für den Jahresendspurt zu erfüllen. "Auch bei Volkswagen dürfte man die Lage wohl dramatischer beurteilen als es derzeit sichtbar ist", lästert ein Analyst. Das beste Zeichen dafür sei, dass die Porsche- -Eigentümer Porsche und Piëch ihren Streit wegen der Machtbalance im VW-Konzern beigelegt hätten. "Wäre Porsche nicht im Spiel, dann hätte die VW-Aktie wohl genauso zu kämpfen, wie die anderen". 

Tatsächlich erscheinen die Aussichten düster. "2009 werden wir wohl eine handfeste Rezession erleben", sagt Jürgen Piper vom Bankhaus Metzler voraus. Und davon sei die die Automobilindustrie traditionell besonders stark betroffen. Die Finanzkrise sei dabei ein Auslöser der Krise, aber keinesfalls der einzige. "Die Diskussion um den Klimawandel und die absehbaren Regelungen zur CO2-Besteuerung haben zu einer massiven Verunsicherung der Käufer geführt", erklärt der Experte. Entscheidend aber sei der dramatische Anstieg der Ölpreise und die Tatsache, dass das Niveau wohl auf Dauer so hoch bleibe. 

Die Abwertung der Auto-Aktien hält Piper gleichwohl für übertrieben. "Die Kurse erwecken den Anschein, als ob die Branche kurz vor dem Kollaps steht. Davon kann aber keine Rede sein." Daimler zum Beispiel verfüge über eine Eigenkapitalquote von mehr als 40 Prozent, die Barreserven betrügen mehr als zehn Milliarden Euro - und auch der Gewinn betrage nach der zweiten Korrektur in diesem Jahr voraussichtlich immer noch mehr als sechs Milliarden Euro. 

  Allerdings ist es nicht allein die Verunsicherung der Käufer, der den Herstellern im kommenden Jahr zu schaffen machen wird. Denn trotz aller Schwierigkeiten gilt es, den Anschluss nicht zu verpassen, wenn es um neue Antriebstechniken geht. Benzin- und Dieselmotoren, darüber herrscht inzwischen Einigkeit, haben auf mittlere Sicht keine Zukunft. Zwar hängt die Geschwindigkeit des Umbruchs vom Ölpreis ab, doch dass es zu grundstürzenden Veränderungen kommen wird, daran besteht nicht der geringste Zweifel. 

 Um für den Tag X vorbereitet zu sein, sind indes Herkules'sche Anstrengungen nötig, denn die Entwicklung der Batterietechnik steckt ebenso noch in den Kinderschuhen wie die Brennstoffzelle. Zusätzliche Komplikation: Noch weiß niemand, welche der Technologien am Ende den Standard darstellen wird. Man darf also kein Gebiet vernachlässigen. Nicht einmal den Wasserstoffantrieb haben die Ingenieure endgültig abgeschrieben, obwohl die damit verbundenen Risiken auch nach Jahren Entwicklungsarbeit noch immer unkalkulierbar erscheinen.

 Zetsche, der nicht gerade als Übertreiber bekannt ist, bringt es auf den Punkt: "Wir müssen das Auto neu erfinden". Die Kosten für die aufwändige Parallelforschung werden viele Milliarden Euro betragen - und ein großer Teil davon ist verlorenes Geld. Doch kein Hersteller dürfte darum herum kommen. "Sie müssen in jede der neuen Technologien investieren", zitiert das "manager magazin" den GM-Vorstand Fritz Henderson. "Ansonsten zeigt Ihnen der Markt womöglich, dass Sie falsch lagen. Und Sie riskieren Ihr Unternehmen".  

Gleichzeitig aber darf die Weiterentwicklung der alten Motorentechnik nicht vernachlässigt werden. Immerhin wird sie den Markt nach Überzeugung der Unternehmensberatung Bosten Consulting bis weit über das Jahr 2020 hinaus klar dominieren. Winterkorn sieht hier einen klaren Trend: Triebwerke mit geringem Hubraum, dafür gleich mehrfach aufgeladen, werden in den kommenden Jahren verstärkt auf den Markt kommen. Nach Informationen des "manager magazins" soll sogar die nächste Generation des Audi-Flaggschiffs A8 mit solchen Vierzylindern angeboten werden. 

 Mobilität bleibt Thema Nummer 1  Auch die Auffächerung der Modellpalette bleibt für die Branche eine kostenintensive Anstrengung. Cabrios, Coupelimousinen, Sportkombis, SUVs - in jedem Segment gibt es bereits etliche Varianten, deren Zahl kontinuierlich erweitert wird. Mit den X 1 bringt BMW inzwischen die dritte Offroad-Baureihe auf den Markt. Audi hält mit dem Q 5 dagegen und erweitert sein Angebot um den Minikonkurrenten A 1. Mercedes versucht mit neuen Ablegern der A- und B-Baureihe zu punkten. Doch trotz der gewaltigen Herausforderungen machen sich die Experten keine Sorgen um die Autoindustrie. "Deutsche und Japaner werden gestärkt aus der Krise hervorgehen", erklärt Metzler-Analyst Piper. Grundsätzlich bleibe Mobilität auch in Zukunft Thema Nummer 1, die Nachfrage könne also nicht auf Dauer einbrechen. Überdies hätten Mercedes und Co in Sachen effizienter Produktion ihre Hausaufgaben gemacht und könnten nun von überdurchschnittlichen Produktivitätsfortschritten profitieren. Die hohe Liquidität helfe überdies über die kommende Durststrecke hinweg.  

 VW Peugeot Renault Daimler Mercedes Gewinnwarnung Brennstoffzelle Elektroantrieb zu SPIEGEL WISSEN  Ganz anders die Wettbewerber: Die französischen Hersteller Renault und Peugeot trifft das derzeitige Minus bei der Nachfrage zwar eher weniger als die Deutschen, auch wenn Peugeot -Citroen-Chef Christian Streiff von einem Kollaps des Marktes spricht. Doch bei den Antrieben der Zukunft liegen sie deutlich zurück. Weit problematischer jedoch sieht es bei den US-Konkurrenten aus. General Motors muss derzeit täglich Gerüchte von einer bevorstehenden Insolvenz dementieren, auch für Ford schließen Analysten eine Pleite nicht aus. In der Branche beobachtet man den Überlebenskampf mit gemischten Gefühlen. Einerseits befürchtet man negative Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit der gesamten Branchen. Andererseits hofft man darauf, dass damit überflüssige Kapazitäten abgebaut werden.  

Von Michael Kröger